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Zwischen Ketten und Blut III - Der letzte Ausweg

  • Autorenbild: kuromorikira
    kuromorikira
  • 13. Apr.
  • 5 Min. Lesezeit

KIRA

Wir waren alleine. Ich starrte auf den Gang, zitternd, völlig erstarrt – bis ich spürte, wie Zaagan mir eine Hand auf die Schulter legte. Er redete auf mich ein, doch ich begriff erst, was er sagte, als ich endlich aus meiner Starre erwachte.

“Du musst von hier verschwinden! Das ist vielleicht die einzige Chance.”, sagte er immer und immer wieder.

Ich schaute ihn an und erst dann begriff ich es.

“Aber wenn ich das versuche, du hast doch gehört, was er gesagt hat.”, erwiderte ich und schüttelte den Kopf.

“Ja schon, aber...”, sagte er und wurde leiser. “Es muss wenigstens einer von uns hier raus schaffen.”, wisperte er.

“Und was ist mit dir?”, fragte ich. Und ballte die Hände zu Fäusten.

Ich zog meine Schultern zusammen und schaute ihm in sein Gesicht - in seine strahlend weißen Augen, so farblos und doch so vielsagend. Es lauerte etwas dahinter. Etwas Dunkles, das begann sich langsam einzunisten.

„Ich verschaffe dir Zeit.“, erklärte er und kam etwas näher.

„Und wo soll ich dann hin?“, fragte ich.

Meine Stimme zittrig.

Der Gedanke daran komplett alleine zu sein, machte mir mehr Angst, als hier zu bleiben. Zaagan war immer eine Stütze für mich. Ein Licht im Dunkeln. Schon seit wir Kinder waren. Schon immer. Daran zu denken getrennt von ihm zu sein, warum fühlte es sich so schmerzhaft an? In meinen Gedanken gefangen nahm er mich bei der Hand und lief mit mir in Richtung Flur.

“Wir müssen uns jetzt wirklich beeilen!”, rief er und als ich wieder im hier und jetzt ankam, realisierte ich erst so richtig, was passierte.

Schreie, Schüsse und Klingen, die auf Beton schnitten. Es war laut und ein riesiges Durcheinander. Dämonen liefen an uns vorbei. Bemerkten uns nicht mal. Aber jedes Mal bleib mein Atem stehen, weil ich dachte Azazel war es. Oder Mephisto. Der Flur schien endlos. Tausend Verwinkelungen aber Zaagan lief zielgerichtet. Er hatte einen Plan. Das spürte ich. Dann blieben wir stehen. In einer Dunklen Nische, in der uns niemand entdecken würde. Ich stand mit dem Rücken zur Wand und Zaagan direkt vor mir. Sein Atem schwer. Meiner auch.

„Ab hier musst du alleine weiter.“, sagte er zwischen den tiefen Atemzügen.

Er lehnte sich an der Wand ab, wirkte geschwächt. Kam das vom Ritual? Warum zerrte es nicht auch an mir so sehr?

„Erinnerst du dich an den Schacht? Der im Keller?“, fragte er.

„Ja. Als Kinder waren wir mal dort. Die Strafe dafür werde ich nie vergessen.“, murmelte ich und senkte den Kopf.

„Ich war nochmal dort. Wieder und wieder.“ Er zitterte, aber nicht vor Angst. „Er ist dein Fluchtweg nach draußen. Dafür habe ich gesorgt.“, ergänzte er.

„Zaagan, ich...“ Er kam näher.

Ich spürte seinen Herzschlag. Ich lehnte meine Stirn gegen seine Brust. Dann schling er seine Arme um mich. Ganz sachte. Mein Gesicht wurde Feucht. Ein Schluchzen entkam meiner Kehle. Ich schmiegte mich an ihn. Genoss jeden Augenblick. Es gab mir Sicherheit, zumindest für einen kurzen Moment. In diesem Moment wusste ich.

Ich musste es schaffen - für ihn.

Wenn ich stark genug werden würde, dann könnte ich ihn retten. Dann könnte ich es diesen elenden Mistkerlen zeigen und sie allesamt vernichten. Ich konnte das schaffen, wenn ich mich jetzt nur zusammenreißen würde.

„Bitte halte durch, Zaagan. Wir werden und Wiedersehen!“, wisperte ich.

Die Umarmung löste sich. Ich hörte das Klacken von Stiefeln, das näherkam.

„Jetzt lauf“, flüsterte er.

Das waren seine letzten Worte.


Dann rannte ich los. Ich rannte so schnell ich konnte in Richtung Keller. Es waren Schüsse und Schreie zu hören. Fremde Stimmen. Waren das tatsächlich Dämonenjäger? Wer sollte sich sonst mit so hochrangigen Dämonen anlegen. Ich durfte nicht von ihnen erwischt werden, denn dann würden sie mich zweifelsohne auch töten. Dämonenjäger hatten keine Gnade, wenn es um das Jagen der Höllenbrut geht und ich gehörte dazu, wenn auch nur zu einem Teil. Die Schüsse wurden lauter und ich versteckte mich hinter einer Nische im Gang. Ich konnte eine fremde Männerstimme hören, aber verstand nicht, was er sagte. Dann Schritte. Hinter mir.

Oh nein, was wenn sie mich bereits entdeckt hatten?

Ich blieb in meiner Nische und hielt die Luft an. Mein Puls schlug wie verrückt und mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren, aber ich musste ruhig bleiben. „Hey, da drüben habe ich einen gesehen! Komm schnell!“, rief eine fremde Frauenstimme und lief schnurstracks an mir vorbei. Ich konnte nur ihre Silhouette erkennen. Sie war sehr schnell und flink und war in nullkommanichts am anderen Ende des Ganges angekommen. Ich schnaufte erleichtert aus, doch dann hörte ich weitere Stimmen. Zwei Schatten liefen an mir vorbei. Ich hielt für einen weiteren Moment den Atem an und wartete ab, bis ich wirklich nichts mehr hörte.

Langsam wagte ich mich aus meiner Nische heraus, schaute mich kurz um. Die Lichter im Gang flackerten wie verrückt und ich rannte weiter. Schüsse fielen. Schon wieder. Ich lief einen kleinen Umweg. Dann erreichte ich den Keller. Der Schacht - da war er. Ich schloss die Tür hinter mir und dann hörte ich sie. Mephistos Stimme. Ich erstarrte. Meine Brust schnürte sich zu. Ich hielt den Atem an. Ich war mir sicher, dass er reinkam und mich rauszerren würde. Aber er kam nicht. Ein tiefes Knurren ertönte. Uns trennte nur die Tür.

„Hör zu, du musst sie finden! Ich weiß nicht wo das Ungeziefer schon überall eingedrungen sind aber sie dürfen dieses Weib keinesfalls in die Finger bekommen!“, befahl er jemanden. Er rührte sich nicht. Ich auch nicht.

Schweiß lief mir über die Stirn und ich hatte einen dicken Kloß im Hals. Mein Magen spielte verrückt und ich hielt mir die Hand vor dem Mund. Kein Geräusch. Kein Atem. Nur Angst. Seine Schritte entfernten sich. Wurden leiser. Er war weg. Ein tiefer Atemzug. Dann weiter. Zaagan – er ließ mich nicht los. Er war der Einzige, der mir in schweren Zeiten etwas Trost spenden konnte. Eigentlich hatten wir uns gegenseitig Trost gespendet. Ich näherte mich dem Schacht. Die Schrauben waren lose. Das muss Zaagan gewesen sein.


Ich musste es nur hier durch schaffen.

Dann war ich frei.


Ich schob das Gitter beiseite und als ich gerade hineinschlüpfen wollte, hörte ich die Stimme von Azazel. Seine tiefe bedrohliche Stimme rief nach mir. Er hatte mich entdeckt. Ich war bereits im Schacht, aber als ich weiter kriechen wollte, spürte ich seinen festen Griff um mein Fußgelenk. Ich versuchte mich von seinem Griff zu lösen. Zappelte, wehrte mich. Aber er zog mich mit einer Leichtigkeit heraus. Dann wieder ein Schuss. Sein Griff löste sich. Das war meine Chance. Ich kroch wieder rein. Es war finster. Ich musste nur geradeaus. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an und ich hatte das Gefühl, dass der Schacht nie enden würde. Dann sah ich es. Licht. Ich bewegte mich schneller und dann - ich griff nach dem Licht. Ich war frei. Für einen Moment. Dann stürzte ich in den Abgrund und verlor mein Bewusstsein.


Als ich langsam wieder zu mir kam, spürte ich warme Hände auf mir. Mein gesamter Körper schmerzte, doch ich konnte mich kein Stück bewegen. Was war passiert? Wo war ich? Mein Verstand war wie benebelt. Dumpfe Stimmen waren zu hören. Davon eine Frau. Mir war so furchtbar kalt. Jemand hob mich hoch. Ich versuchte mich zu regen. Ich wollte aufstehen, schreien, fliehen - aber nicht einmal meine Augen gehorchten mir. Ich konnte nichts tun. Gefangen im eigenen Körper. Ich spürte einen warmen Untergrund und dann konnte ich nur noch Motorgeräusche wahrnehmen. Die Schwärze umhüllte mich wie ein Mantel.

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